"Bestattungswesen in Vorhelm"
Unter diesem Titel hat Pastor
Hermann Honermann in der Broschüre „Der
beflügelte Aal – Heimatliches aus Ahlen –
Vorhelm – Dolberg“, Ausgabe 15 folgendes
berichtet:
Wenn ich jemand frage: „Was heißt Friedhof
auf Platt, dann wird er mir antworten: Kiärkhoff oder Kerkhof.
Das kommt daher, weil in alter Zeit die
verstorbenen Christen auf dem „Gottesacker“ rings
um die Kirche beigesetzt wurden, um dem nahe zu
sein, der Auferstehung und Leben schenkt.
Schon vor 1193 stand die alte und erste
Vorhelmer Kirche da, wo sich heute die neue
befindet. Und rund um die Kirche lagen die Gräber,
schon vor 1193.
Genau so alt ist das
Bestattungswesen in Vorhelm. Mit zunehmender
Bevölkerung wurde auch der Gottesacker bald zu
eng; denn rundum war der Platz begrenzt durch
anliegende Häuser und die Gräfte. Immer häufiger
stieß man beim Ausheben eines neuen Grabes auf
Gebeine der vorher bestatteten Verstorbenen. Und
es galt, ehrfürchtig damit umzugehen. So schuf
man – wie allgemein üblich -
auch in Vorhelm ein „Gebeinhäuschen“ oder
„Ossorium“, in das man die ausgegrabenen Gebeine
legte. Erstmals wird dieses Gebeinhäuschen 1662
in einem „Status ecclesiae“, einer amtlichen
Zustandsbeschreibung der Kirch erwähnt. Es wird
bemerkt, dass dieses Gebeinhäuschen damals noch
nicht ganz gefüllt war. In einem späteren Status
vom Jahre 1718 wird gesagt, dass das Ossorium
zwar in der Größe angemessen, aber im oberen
Bereich teilweise beschädigt sei.
In einem Schreiben vom Jahre
1789 wendet sich der damalige Vorhelmer Pastor
Anton Baeck an die Bischöfliche Behörde mit der
Bitte, das Gebeinhäuschen abbrechen zu dürfen;
denn es sei ganz baufällig geworden, und der
Platz werde auf dem Friedhof benötigt. Der
Bischof erlaubte den Abbruch. Wir erfahren aus
dem Schreiben noch, dass das besagte Häuschen an
den Turm angebaut war.
In dem oben genannten Status
von 1662 wird auch der Friedhof beschrieben. Er
sei vorschriftsmäßig eingezäunt, so dass das
Vieh ihn nicht zertrampeln konnte. Der
Gottesacker sei sauber und eben, und eine
Totenbahre sei auch vorhanden. Im Status von
1718 wird dagegen bemängelt, dass die
Einfriedigung in einem schlechten Zustand sei.
In beiden Status von 1718 und 1771 wird erwähnt,
dass auf dem Friedhof 3 Häuschen („domus“)
errichtet waren. Sie gehörten der Familie Busch
(jetzt Hasselmann), Borgmann (jetzt Heimann) und
Keyser (früher im Bereich des jetzigen
Pfarrheims gelegen). Diese Familien zahlten der
Kirche dafür eine Vergütung. Solche Häuschen auf
dem Friedhof gab es nicht nur in Vorhelm. Sie
werden z. B. auch für Legden bezeugt.
Im Jahre 1606
wurde der Vorhelmer Pastor Johannes Grüter
vom Geistlichen Rat in Münster ermahnt, weil
auch er schon damals ein Häuschen auf dem
Friedhof errichtet hatte und darin sogar
Bier verkaufte.
Eine besondere Rolle spielten
die „Liekwege“, die Leichenwege, auf denen aus
den Bauerschaften und aus dem Dorf die Leichen
zu Kirche getragen wurden. Die
Bauerschaftsangehörigen wurden
in den jährlichen Synoden regelmäßig ermahnt,
die Liekwege in Ordnung zu halten.
Während die
„Normalsterblichen“ um die Kirche beerdigt
wurden, gab es für die Mitglieder des Adels und
der Geistlichkeit meistens Grabstätten in der
Kirche. So gab es in der Mittelachse des
Chorraumes, vor dem Hochaltar, eine Gruft für
die Verstorbenen des Hauses Vorhelm. Das ist
auch darauf zurückzuführen, dass die ehemalige
Kirche ursprünglich eine Eigenkirche dieses
uralten Vorhelmer Rittersitzes war. Beim Abbruch
der alten Kirche 1891 wurden die Gebeine der
vorgenannten Gruft zum neuen Friedhof überführt.
Die Deckplatte
befand sich bis vor kurzem noch auf dem Friedhof
und ist jetzt in der nördlichen Turmkapelle in
der Kirche angebracht.
Augustin Wibbelt erinnert
sich im „Versunkenen Garten“ daran, wie er mit
anderen Kindern im Chor bei dieser Platte auf
dem Boden hockte. Die Deckplatte trägt noch die
Wappen der Familien von Ascheberg, Büren,
Beverförde und Galen sowie die Namen der Maria
Antonetta Freifrau Droste zu Vischering, geboren
von Ascheberg, Erbdrostin.
An den
Seitenwänden des Chores der alten Kirche
fanden sich zwei große Epitaphe sowie ein
kleineres Epitaph an der Nordwand. Es sind
teils sehr kunstvoll gestaltete Grabmäler.
Sie kamen nach Abbruch der Kirche zum Haus
Vorhelm und befinden sich heute in der
Hauskapelle. Diese Epitaphe enthalten die
Namen derer von Reede und von Westerholt.
Für den am 12.10.1667 verstorbenen Balthasar
Hoffherr beanspruchte auch Haus Bergeickel
einen Begräbnisplatz im Chor der alten
Kirche. Eine Grabstätte für die
Pfarrgeistlichen befand sich vor dem
St.-Annen-Seitenaltar und wohl auch vor dem
späteren St.-Franziskus-Seitenaltar.
Im 19. Jahrhundert wuchs die
Bevölkerung in Vorhelm stark an. Der
Begräbnisplatz um die Kirche reichte einfach
nicht mehr. So entschied man sich zur Anlage
eines neuen Friedhofes außerhalb des Dorfkerns.
1876 wurde der jetzige Vorhelmer
Friedhof angelegt.
Inzwischen wurde der Friedhof
wiederholt erweitert, so in den Jahren
1930 und 1964, und zwar jeweils in südliche
Richtung. 1994 erfolgte eine Erweiterung in
westliche Richtung. Nach den schärfer gewordenen
Vorschriften muss der Boden luftdurchlässig
sein.
Der anstehende
Mergelboden war dafür nicht geeignet und
musste durch anderen Boden ausgetauscht
werden. Auch ein
Wirtschaftsgebäude wurde errichtet. Eine
Friedhofkapelle steht noch aus.
Ursprünglich war der Gottesacker um die
Kirche nur für die zur Gemeinde gehörenden
katholischen Christen gedacht. Später,
auf dem neuen Friedhof, schuf man einen
evangelischen Teil. Inzwischen spielt die
konfessionelle Zugehörigkeit keine Rolle
mehr.
„Gottesacker“, „Kirchhof“, „Friedhof“ – die
Bezeichnungen spiegeln wider, um was es geht: Dass
das Geschöpf Mensch zu seinem Schöpfer Gott
zurückkehrt. Dass zur Gemeinde der Christen auch
die Verstorbenen rund um die Kirche gehören. Dass
die Menschen im Tod ihren Frieden finden möchten.
So ist der Friedhof einerseits ein
Glaubenszeugnis, andererseits ein Zeugnis dafür,
was den Lebenden die Verstorbenen wert sind. |